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Noch so ein Erfahrungsbericht zur "Eisenzeit" an der Zugspitze

Aktualisiert: 17. Sept. 2022

Handelt es sich bei der Eisenzeit um eine echte Klettertour? Wie ausgesetzt/ brüchig/ schwer ist die Route? Für wen ist die Route geeignet? Lohnt sich eine Begehung? Brauche ich eine:n Bergführer:in?

Um diese, aber auch um ganz andere Fragen geht es im Folgenden.

Worum es nicht geht, ist eine Wegbeschreibung. Dafür gibt es ein mühevoll ausgearbeitetes, detailreiches und frei zugängliches Topo auf bergsteigen.com. Das sollte man sich einverleiben. An dieser Stelle möchte ich die Beschreibungen und Bemerkungen der Erschließer loben! Die zusammengefassten Informationen sind super aufbereitet und alle Hinweise und Bemerkungen kann ich so unterstreichen! Sehr zu empfehlen ist auch diese kurze BR-Doku!


Warum braucht es dann überhaupt noch einen Blogartikel?


Dafür gibt es mehrere Gründe: Es macht mir Spaß, meine eigenen Erlebnisse und Eindrücke niederzuschreiben und somit festzuhalten. Diesen Blog nutze ich aber auch um meine Überlegungen, Beobachtungen und meine Meinung auszuformulieren. Die Gedanken sind frei und ich empfinde das Schreiben als Teil meiner Freiheit!


Außerdem bin ich der Ansicht, dass heutzutage zwar viele Informationen im Netz und in den sozialen Medien geteilt werden, aber oft noch zu wenige fundierte Aussagen von professioneller Seite her stattfinden. Genau darauf möchte ich etwas näher eingehen.


In den Zeiten vor dem Internet, haben Bergsteiger:innen einfach ihr Ding gemacht und vielleicht am Stammtisch mit guten Bekannten mal darüber gesprochen. Heute schlägt das Pendel eher in die andere Richtung aus. Zu leicht und zu schnell kann man sich die Anerkennung durch einen "Post" im Netz holen. Oftmals wird dadurch eine Einfachheit suggeriert, die zwar für manche Bergsteiger:innen und deren individuelle Risikobereitschaft stimmen mag, aber sicher noch lange nicht für den Querschnitt der Anwärterschaft passt. Da die positive Fehlerkultur nach wie vor zu wenig in der Bergsportgemeinde angekommen ist, sind die Bedingungen zumeist super und Aussagen wie "...geht gut...", "...easy..." und "...basst scho..." werden schnell mal getätigt.

Leider ebbt die Anerkennung für eine normale Begehung derartiger Touren schnell ab und der logische Schritt um der Droge Nachschub zu verschaffen ist dann oft die Schwierigkeit und die Exklusivität zu erhöhen. So wagen sich manche zum Beispiel "Free-Solo" oder im Winter in Touren wie die "Eisenzeit"auf der Nordseite der Zugspitze. Oftmals ohne die nötige Ausbildung oder Erfahrung. Nicht selten werden dadurch andere Menschen in Gefahr gebracht oder zur Nachahmung animiert.

Als ich das erste mal mit meiner Frau in der Route unterwegs war, überholten uns zwei Trailrunner - natürlich ohne Seil. Kurz darauf befanden sie sich über uns, abseits der Route und im scharfen Steinschlaggelände. Links und rechts von uns flogen die Steine vorbei - es hat nicht viel gefehlt und wir wären getroffen worden. So geht´s nicht!


Kritiker:innen würden mir mit der Weitergabe von Informationen das Verhindern des Abenteuers und die Vernachlässigung der individuellen Eigenverantwortung unterstellen. Teilweise kann ich das nachvollziehen. Ohne ein gewisses Maß an Eigenverantwortung geht´s nicht und wenn ich vorher schon jeden Schritt in einem Video gesehen habe dann ist der Grad des Abenteuers sicherlich auch geringer. Der Begriff "Abendteuer" wird in der Bergsportgemeinde allerdings sehr unterschiedlich ausgelegt...

Ich bin jedenfalls der Meinung, dass Sicherheit und Gesundheit für die meisten Berg-Konsument:innen absoluten Vorrang haben. Es hat nun mal nicht jede:r die Zeit oder die Fähigkeiten sich intensiv genug mit allem Drumherum des Bergsteigens zu beschäftigen. Die meisten Menschen sind auf vorgekaute und aufbereitete Informationen angewiesen. Summa summarum schreibe ich also lieber selbst mal ein paar zusätzlich nützliche Dinge nieder, bevor ich mich ständig wundere warum viele Leute so wenig Plan haben.

Wie so oft bestimmt hier die Nachfrage den Markt, sonst würdet auch ihr das alles hier nicht lesen...

Niemand wird dazu gezwungen sich zu informieren, Recherchen im Internet finden immer noch freiwillig statt!


Obwohl man viele Infos im Netz findet, muss die Umsetzung eines Plans erstmal stattfinden! Genauso wie die körperliche und psychische Leistung! Nur weil ich weiß, dass auf der Tour über 2000 Hm zu bewältigen sind und es stellenweise ausgesetzt und brüchig dahin geht, habe ich das Ganze noch lange nicht geschafft.


Meine Hoffnung ist, dass durch meine Informationen eine bessere individuelle Selbsteinschätzung möglich ist. Vielleicht kommen manche Leute dann zu dem Entschluss, dass es geschickter ist eine:n Bergführer:in zu engangieren. Schließlich gibt es uns ja nicht umsonst! Aber das Ego vieler Bergsteiger:innen ist immer noch groß und Leistungen zählen oft nur wenn sie 100%ig selbst erbracht werden...


Jetzt aber zurück zum angepriesenen Neoklassiker, zur Route "Eisenzeit" auf die Zugspitze. Ein paar Stichworte könnten zur besseren Übersicht helfen:


ORIENTIERUNG:

Der Weg ist lang und es gibt durchaus einige Dinge zu beachten. Anfangs hat man noch gut erkennbare Pfadspuren bzw. manchmal auch ein Stahlseil (not for climbing! ;-)). Später wirds dann kniffliger und ein gutes Gespür, bzw. Topo-Lesefähigkeiten sind gefragt. Die Bohrhaken sind nicht immer leicht zu finden, dafür bestätigen sie unmittelbar den richtigen Weg! Stellenweise würde ein falscher Abzweiger dazu führen, dass man im brösligen Absturzgelände rum eiert, was nicht nur die eigene Seilschaft gefährdet, sondern auch nachfolgende Aspirant:innen. Mittlerweile helfen einem zusätzlich die Kratzspuren der Steigeisen bei der Orientierung. Umkehren ist nach den Tunnelfenstern zwar theoretisch noch möglich aber kritisch zu betrachten. Durch den schrägen Verlauf muss abgeklettert werden und das ist in diesem Gelände oft schwierig. Wenn einen nicht die Verhältnisse davon abhalten, dann ist die "Flucht nach vorne" in den meisten Fällen wahrscheinlich die bessere Entscheidung.


ABSICHERUNG:

Die Bohrhaken sind solide, seit Neuestem teilweise geklebt und meist für die Absicherung der Nachsteiger:innen gut platziert. Zwischendrin finden sich auch mal einzelne Schlaghaken, die helfen können. Klemmkeile und Friends können nur bedingt eingesetzt werden, da es wenige offensichtliche und solide Risse gibt. Hammer und Haken könnten stellenweise verwendet werden, allerdings ist deren Sinnhaftigkeit dann fragwürdig. Ansonsten könnte man einzig die erste Abseilstelle vom Grat Richtung Klettersteig kritisieren. Hier stecken zwar solide Haken, allerdings ist ein altes Seilstück als Kräfteverteilung eingeknotet und über dessen Zentralpunkt soll abgeseilt werden. Aus meiner Sicht ein Widerspruch in sich! Das Seilstück ist permanent Sonne und Wetter ausgeliefert und muss regelmäßig ausgetauscht werden, sonst kracht´s halt irgendwann... Beim letzten Mal habe ich hier als Beitrag zum Allgemeinwohl ein"frisches"Seil + Schraubglied angebracht. Laut vorheriger Absicherungslogik wäre ein solider Edelstahl- Kettenstand angebracht.


SCHWIERIGKEITEN:

Die "Schlüsselstelle" (abgesehen von der Stelle, an der laut Topo ein verrosteter "Riesengabelschlüssel" zu finden sein sollte (wurde geklaut!)) ist meiner Ansicht nach NICHT der kurze Aufschwung im vierten Schwierigkeitsgrad den man vor den Stollenlöchern überwinden muss. Gute Griffe, gute Tritte, mittlerweile abgeklettert und gar nicht ausgesetzt geht es in einer Nische ein kurzes Stück nach oben und das war´s! Ein gutmütiger und wohlwollender "Vierer", keineswegs heikel. Etwas ernster geht es dann nach den Tunnelfenstern zur Sache. Hier kommen immer wieder ausgesetzte Kletterstellen in teilweise brüchigem Fels.

Man darf eine solide Klettererfahrung mitbringen um hier wirklich sicher zu steigen. Selbst wer eigentlich viel schwerer klettern kann ist hier abschnittsweise mit der Seilsicherung gut beraten! Stürzen ist meist trotzdem tabu. Ohne Seil würde ein Abrutschen an vielen Stellen aber mit einem Totalabsturz enden. Die Mehrzeit, die für das Sichern drauf geht ist für mich keine Argumentationsgrundlage hier das Seil (welches man ohnehin dabei hat) nicht auszupacken. Die Tour ist zudem an den meisten Stellen "straight forward" genug um trotzdem zügig durchzukommen. Allgemeine Schwindelfreiheit, Trittsicherheit sind eh klar. Darüber hinaus muss man sich aber auch noch auf abschüssiges Geröll und "gekieste" Platten im einfacheren Gelände einstellen. Manche Stellen sind bei Nässe nochmals zusätzlich spannend und im Frühsommer darf man durchaus auch noch mit dem ein oder anderen Schneefeld rechnen. Hierfür sollte man evtl. zusätzliche Ausrüstung mitnehmen.


STEINSCHLAG:

Obacht, obacht, obacht! Stellenweise ist hier bei mehr Betrieb, aber auch im Hinblick auf die direkten Begleiter:innen, äußerste Vorsicht geboten! Insbesondere der Bereich vor und nach dem Strommasten und der gesamte Bereich zwischen schwarzem Wulst und Grat kurz vor dem Abseiler sind heikel. Also an diesen Stellen nicht "like a boss" bewegen sondern vielmehr "like a cat" dahinschleichen! Wenn doch mal was runterfällt, dann bitte mit dem allgemein anerkannten Ausruf "Stein"warnen! Im Bereich der Abseilstelle(n) sollte man nochmals sehr gut aufpassen, da genau unter einem der hochfrequentierte (stark untertrieben) Höllental- Klettersteig verläuft. Wenn in der Eisenzeit gute Bedingungen herrschen, dann gilt das meistens auch für die Tour durchs Höllental. Die Variante ohne Abseilen direkt über den Riffelgrat sollte für verantwortungsvolle Menschen, bei viel Betrieb im Klettersteig, keine Option sein.


SCHÖNHEIT:

Liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Aus meiner Sicht gibt es einige sehr schöne Kletterstellen in festem Fels, vor allem kurz vor dem Gratausstieg. Der Blick Richtung Eibsee ist immer schön und die Aussicht kann sich auch sehen lassen. Die Abstiegsvariante mit der neuen Zugspitzbahn ist auch deswegen cool, da man den gesamten Routenverlauf nochmal betrachten kann. Schon eine schöne Linie durch eine beeindruckende Wand.


ERLEBNIS:

Klare Empfehlung! Wer sich gut vorbereitet und der Sache gewachsen ist, wird hier sicherlich besondere Erfahrungen mit nach Hause nehmen. Nicht nur der Eindruck der Wand oder der Kletterstellen sondern auch die spürbare Präsenz der Geschichte verleihen der Tour einen außergewöhnlichen Charakter. Man sollte sich an der ein oder anderen Stelle unbedingt ein bisschen Zeit nehmen und den Ausblick oder das Umfeld betrachten. Hier und da findet man auch noch spannende Gegenstände von damals und in Verbindung mit der auf der Zuspitze nachlesbaren Erschließungsgeschichte entsteht ein spannendes Bergerlebnis!


TIPPS: Wer sich nicht sicher ist, sollte wirklich darüber nachdenken eine:n ortskundige:n Bergführer:in zu engagieren. Gerade bei dieser Tour ist es schön, wenn man ein bisschen mehr Zeit hat sich umzusehen! Neben der Planung, der Organisation und dem Risikomanagement können wir auch noch etwas mehr drum herum erzählen, Tipps geben und die Tour somit sicher zu einem bleibenden Erlebnis machen!



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